Grundprinzipien
Die Bildungssysteme der
hochindustrialisierten Länder befinden sich derzeit in einer Phase des
`beschleunigten Kulturwandels’. Die Zunahme der organisatorischen
Komplexität vieler gesellschaftlicher, politischer und ökonomischer
Bereiche erfordert auch im Bildungsbereich neue Antworten. Die größere
Mobilität in unserer Gesellschaft, die Diversifizierung der
Arbeitsmärkte und die Globalisierung der Informationssysteme verlangen
von der heranwachsenden Generation ein hohes Maß an Flexibilität,
Selbstorganisation, Eigenverantwortung, Selektions- und
Kritikfähigkeit, Kooperationsbereitschaft, Konfliktfähigkeit und
kontinuierlicher Lernbereitschaft. Diese Veränderungen machen eine
weitere Professionalisierung des Lehrberufs notwendig. Die universitäre
Lehrerausbildung zielt darauf ab, fachliche und didaktische
Qualifikationen bei den Lehramtsstudierenden mit der Entwicklung und
Stärkung von selbstreflexiven, sozialen, kommunikativen und
organisatorischen Kompetenzen zu verbinden.
Der
Komplexitätssteigerung der gesellschaftlichen Strukturen steht eine
wachsende Individualisierung der Wertmaßstäbe, der Lebensperspektiven
und der Berufskarrieren gegenüber. Die in der Ausbildung zum Lehramt
Tätigen betrachten den bewussten Umgang mit der Pluralität der Werte,
Interessen und Meinungen als eine Grundvoraussetzung für die Stärkung
zivilgesellschaftlicher Strukturen. Zugleich sehen sie ihre vorrangige
Aufgabe in der Entwicklung solcher Lernprozesse, welche eine Stärkung
und Weiterentwicklung demokratischer staatlicher Strukturen
ermöglichen. Sie sind in ihrer Arbeit grundsätzlich der Durchsetzung
der Grund- und Menschenrechte, der Rechtsstaatlichkeit, der
Gleichberechtigung der Geschlechter, der Solidarität, der Toleranz, der
(Welt-)Offenheit, der Freiheits- und Friedensliebe, der internationalen
Verständigung, der Förderung interkulturellen Denkens und Handelns
sowie der übernationalen Entwicklung Österreichs, Europas und der Welt
verpflichtet.
In der universitären Lehrerbildung der Zukunft ist
die Entwicklung komplexer Ausbildungs- und Lernorganisationen
erforderlich, welche eine praxisnahe Reflexion schulischer Lernprozesse
ermöglichen. Die Ausbildung soll die Studierenden - bei
Berücksichtigung ihrer jeweils konkreten Möglichkeiten, Erwartungen und
Erfahrungen - in der Entwicklung eines aktuellen Berufsverständnisses
unterstützen und ihnen Möglichkeiten eröffnen, die für ihren
zukünftigen Beruf voraussichtlich notwendigen Kompetenzen zu
entwickeln. Dafür sind integrative und prozessorientierte Lernformen
mit einer ganzheitlichen Perspektive notwendig, welche es erlauben, die
Komplexität des gesellschaftlichen Wandels nachzuvollziehen und zu
reflektieren. Diese Arbeitsformen sollen den Lernenden ermöglichen,
bestimmte Kenntnisse nicht nur auf kognitiver Ebene als '(Fach-)
Wissen' zu erwerben, sondern dieses Wissen auch in einer konkreten
Handlungssituation als 'soziale Kompetenz' einzusetzen.
Allgemeine und fachspezifische Berufsqualifkationen
Vor
dem Hintergrund der dargestellten Entwicklungen erscheint die
Ausbildung folgender professioneller Kompetenzen für das Lehren und
Lernen erforderlich:
- Im Mittelpunkt der unterrichtsbezogenen
Aufgaben steht heute die dynamische und vielseitige Gestaltung von
Lehr-Lern-Arrangements, welche das selbstbestimmte Lernen fördern und
auf die Selbstorganisation der Lernenden abzielen. Dies verlangt von
den Lehrenden hohe fachliche Qualifikationen sowie eine Vielzahl von
pädagogischen und fachdidaktischen Kompetenzen: Lehrende müssen heute
o Informationen verständlich und unter Einsatz entsprechender medialer Möglichkeiten präsentieren;
o Lernsituationen anregend, gehaltvoll und nachhaltig einrichten, einschließlich der Nutzung der Informationstechnologie;
o Lern-, Kommunikations- und Arbeitsprozesse beobachten, fördern, steuern, analysieren und auswerten (Handlungsforschung);
o Lern- und Entwicklungspotentiale erheben und beurteilen;
o die Selbstreflexion und das Selbstwertgefühl der Lernenden in einer sinnvollen Balance zueinander zu entwickeln trachten;
o angebotene (Unterrichts-)Konzepte kritisch prüfen und bewerten;
o sich gegenüber Handlungsbedingungen sinnvoll positionieren;
o eigenes Handeln theoriegeleitet reflektieren.
- Die außerunterrichtlichen Tätigkeiten im Rahmen des
Lehrberufs haben an Umfang und Bedeutung erheblich zugenommen.
Lehrende müssen heute neben fachlichem und fachübergreifendem
Unterricht auch kollegiale Beratung durchführen, Arbeitsprozesse im
Lehrer- und Lehrerinnen-Team moderieren, Schulprofile entwickeln, ihre
eigene Entwicklung erforschen und bewerten; weiters müssen sie
strukturelle Mängel der Schulorganisation durch kooperatives Handeln
beseitigen.
Diese Fähigkeiten müssen beständig weiterentwickelt
und an neue Anforderungen angepaßt werden können. Dazu bedarf es einer
Verschränkung dreier Grundkompetenzen, nämlich der Kompetenz,
zielorientiert zu handeln, theoriegeleitet zu reflektieren und
problembezogen zu forschen. Lehrende benötigen Grundkenntnisse in
praktischen Handlungsstrategien, theoretischen Denkkonzepten und
empirischen Erhebungsmethoden.
Die skizzierten Veränderungen
machen eine Erweiterung der traditionellen Qualifikationen für den
Lehrberuf erforderlich. Die universitäre Lehrerbildung bemüht sich
daher, die fachlichen, fachdidaktischen und die pädagogischen
Kompetenzen während der Ausbildung so zu verknüpfen, dass sie von den
Studierenden später integrativ als handlungsrelevante Kompetenzen
genutzt werden können. Die zukünftigen Lehrer und Lehrerinnen sollen
ein bestimmtes Thema nicht nur mit klar definierten Lehrzielen
inhaltlich bearbeiten können, sondern in Bezug zur jeweils konkreten
Dynamik des Lernfeldes vermitteln. In der Auswahl ihrer
Unterrichtsformen sollten sie flexibel und pädagogisch bewusst mit den
vorgefundenen sozialen, wissensmäßigen und altersbezogenen Bedingungen
der Lerngruppe bzw. der Schulrealität allgemein umgehen können.
Nicht
zuletzt soll während des gesamten Lehramtsstudiums der Beitrag bewusst
gemacht und gehalten werden, den Schule, Unterrichtsmittel, Lerninhalte
und eigene Verhaltensweisen zur geschlechterspezifischen Sozialisation
leisten sowie der Auswirkungen, die diese auf die gesamte Lebensplanung
der Schüler und Schülerinnen hat. Weiters sollen folgende
Qualifikationen und Kompetenzen entwickelt und zu einer integrierten
fachdidaktischen Kompetenz verknüpft werden:
- Die Fähigkeit und
Bereitschaft zur Auseinandesetzung mit gesellschaftlichen Spannungen
und Konflikten, etwa im Bereich der Geschlechterproblematik, in der
Auseinandersetzung mit Minderheiten und Randgruppen und der
Verwirklichung der Menschenrechte.
- Bestmögliche (aktive und
passive) Kompetenzen in den Inhalten und Fertigkeiten des jeweiligen
(Unterrichts-)Faches, entsprechend dem jeweils aktuellen
Entwicklungsstand der Forschung;
- die Bereitschaft zu ständiger
Weiterentwicklung der fachdidaktischen Kompetenz in Bezug zur lokalen
und internationalen Diskussion des gewählten Fachbereichs;
- Flexibilität
im Umgang mit den erworbenen inhaltlichen und methodischen Kenntnissen
und Kompetenzen des Faches oder Fachbereichs;
- analytischer, systematischer und reflexiver Umgang mit fachrelevantem Wissen und Können;
-
fachübergreifendes Denken und Arbeiten: die Fähigkeit, über die engen
Fachgrenzen hinaus die Zusammenhänge von kulturellen, d.h.
ästhetischen, sprachlichen, politischen, wirtschaftlichen,
wissenschaftlichen, sozialen und ökologischen Entwicklungen herstellen
zu können;
- gegenwartsorientierte Selektion der Inhalte unter Einbeziehung der Lebens- und Erfahrungswelt der Schülerinnen und Schüler;
- kritische, problembezogene und identitätsfördernde Auswahl und Bearbeitung von fachlichen Themen;
- interkulturelles
Denken und Handeln: z.B. die Kompetenz, Sprache so zu vermitteln, dass
sie als Medium für Kommunikation, Selbstreflexion und interkulturelles
Verstehen genutzt werden kann;
- selbstreflexive Kompetenz: die
Fähigkeit zur differenzierten Rollengestaltung und zur Rollendistanz in
der Lehrsituation; transparenter Umgang mit (Institutioneller) Macht;
sinnvoller Umgang mit Konflikten; die Fähigkeit, Emotionen der Schüler
und Schülerinnen differenziert zu erkennen, von den eigenen emotionalen
Reaktionen zu trennen und dabei sensibel und kreativ mit der
emotionalen Dimension des Unterrichtsgeschehens umzugehen;
- soziale
und kommunikative Kompetenz: prozessorientiertes Denken und Arbeiten;
Kompetenz in der Entwicklung und Durchführung erfahrungsorientierter
Lernprozesse; Fähigkeit zur Initiierung, Förderung, Steuerung,
Beobachtung, Analyse und Reflexion von Lernprozessen;
- Planungs-
und Gestaltungskompetenz: grundlegende Kenntnisse der lern- und
entwicklungspsychologischen Theorien sowie der mediendidaktischen
Befunde, insbesondere im kritischen Umgang mit
Informationstechnologien; umfassendes Erfahrungswissen im Umgang mit
allen aktuellen Arbeitsformen und Medien; kreative Nutzung der
Lehrplanvorgaben;
- organisationsanalytische Kompetenz:
entsprechende analytische Kompetenz zur adäquaten Einschätzung der
organisationsrelevanten Kooperationsmöglichkeiten mit Kollegen,
Vorgesetzten und Eltern; Fähigkeit zur Organisation und Durchsetzung
fachübergreifender oder internationaler Kooperationen, Projekte und
Partnerschaften.
Fachspezifische Bildungsziele und Qualifikationsprofile finden sich bei den einzelnen Unterrichtsfächern.
Fachspezifisches Qualifikationsprofil
Im
fachwissenschaftlichen und fachdidaktischen Teil des Lehramtsstudiums
der Unterrichtsfächer Bosnisch/Kroatisch/Serbisch, Russisch,
Slowenisch, Tschechisch sollen die Studierenden folgende spezifischen
Kompetenzen erwerben:
a) sprach-, literatur- und kulturwissenschaftliche Kompetenzen
- Erwerb eines breiten sprach- und literaturwissenschaftlichen sowie landes- und kulturkundlichen Wissens;
- Erwerb
fundierter Kenntnisse über die Sprachstruktur einschließlich ihrer
historischen Entwicklung, über die jeweilige Nationalliteratur
einschließlich ihrer historischen Entwicklung sowie von aktuellen und
umfassenden Informationen landes- und kulturkundlicher Art;
- Vertrautheit mit der Geschichte, der Kultur, der Geographie des betreffenden slawisch-sprachigen Raumes;
-
Bereitschaft und Fähigkeit, sich in den drei Bereichen
Sprachentwicklung, moderne Literatur und kulturell-gesellschaftliche
Entwicklung stets auf dem Laufenden halten.
b) sprachpraktische Kompetenzen
-
ausgezeichnete aktive und passive Sprachbeherrschung, die Aussprache,
Grammatik, Stilistik und einen umfangreichen Wortschatz umfasst;
-
Verstehen und Produktion auch komplexer schriftlicher und mündlicher
Texte; Vertrautheit mit Fachsprachen, zumindest mit der
Wirtschaftssprache.
c) fachdidaktische Kompetenzen
-
fachdidaktische und pädagogische Kompetenz nicht nur für den
schulischen Bereich, sondern auch für eine Lehrtätigkeit in anderen
Bildungseinrichtungen (z.B. Erwachsenenbildung);
- Befähigung, die Lernenden zu motivieren;
-
Anwendung und Weiterentwicklung adäquater Methoden auf der Grundlage
seiner/ihrer Kenntnisse der Forschungen zum Fremdsprachenerwerb;
- zielgruppenorientierter Einsatz der Fremdsprachendidaktik;
- Lehrbuchanalyse und -kritik;
- selbstständige Erarbeitung von Unterrichtsmaterialien;
- Einsatz moderner Medien im Unterricht;
- Erziehung der Lernenden zu Offenheit und Toleranz gegenüber anderen Kulturen.
Pädagogisch-wissenschaftliche Berufsvorbildung (PWB) und Schulpraktische Ausbildung (SPA)
Spezifisches Qualifikationsprofil der PWB und SPA
Die
Pädagogisch-wissenschaftliche Berufsvorbildung und die Schulpraktische
Ausbildung für Lehramtsstudierende an der Universität Wien orientieren
sich an folgenden spezifischen Bildungszielen:
Die
Studierenden sollen pädagogische Kompetenzen erwerben, im Einzelnen
didaktische, pädagogisch-psychologische, bildungssoziologische,
schultheoretische etc. Kompetenzen, die es ihnen ermöglichen,
selbstreflexiv-eigenverantwortlich, unter Einbeziehung der jeweiligen
wissenschaftlichen Grundlagen und in sozialer Verantwortung den
Anforderungen des Lehrberufs an allgemeinbildenden, berufsbildenden
mittleren und höheren Schulen und an anderen Institutionen des
sekundären und tertiären Bildungsbereiches zu entsprechen.
Diese Kompetenzen schließen ein:
·
die Fähigkeit und Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit
Gender-Aspekten (Bewusstmachung von geschlechterspezifischen
Erziehungs- und Sozialisationsmustern sowie Überwindung
geschlechterstereotypen Rollenverhaltens)
· Fähigkeit und Bereitschaft zu wissenschaftlichem Denken und Forschen in den oben angeführten Bereichen;
·
Fähigkeit und Bereitschaft zu theoriegeleitetem, methodischem Planen,
Handeln und Evaluieren in pädagogisch-didaktischen Situationen;
·
Fähigkeit und Bereitschaft zur Einnahme einer professionellen
erzieherischen Haltung gegenüber den Lernenden und zur Zusammenarbeit
mit anderen Lehrenden (Teamfähigkeit);
· Fähigkeit und
Bereitschaft zu kritischer Auseinandersetzung mit den Strukturen des
Bildungssystems auch im internationalen Vergleich, mit deren
gesellschaftspolitischen Voraussetzungen und Auswirkungen;
·
Fähigkeit und Bereitschaft, auf Herausforderungen des Berufsfeldes
durch professionelle Wahrnehmung sozialer Strukturen selbstbestimmt und
kreativ einzugehen.
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