Dimensionen des Qualifikationsprofils der Lehrerin/des Lehrers:
Der Kanon der Unterrichtsfächer ist das Ergebnis des vom Staat gestalteten Ausgleiches der Interessen
gesellschaftlicher Mächte, auf die heranwachsende Generation nachhaltigen Einfluss auszuüben. Der
Fächerkanon ist von den gesellschaftlichen Bedürfnissen und Erwartungen abhängig und daher veränderungsfähig
und immer wieder auch veränderungsbedürftig.
Unterrichtsfächer sind keine Auszüge aus oder Kurzformen von wissenschaftlichen Disziplinen. Sie
wurden als Lehr-/Lern-Bereiche der Schule aufgrund ihrer Bildungswirkung ausgewählt und erscheinen
durch ihre Bildungsaufgabe (Bedeutsamkeit für den Menschen in der Gesellschaft) legitimiert.
a) Fachwissenschaftliche Dimension
Die erfolgreiche Gestaltung von Lehr-/Lern-Prozessen wird getragen von umfassenden Kenntnissen und
Erkenntnissen in den für die Unterrichtsfächer relevanten Wissenschaften. In vielen Fällen sind wissenschaftliche
Disziplinen und Unterrichtsfächer auch bei gleicher Bezeichnung nicht deckungsgleich, sodass
mehrere Bezugswissenschaften zu beachten sind. Den Studierenden sind daher in allen für das
jeweilige Unterrichtsfach grundlegenden Wissenschaften folgende Befähigungen zu vermitteln:
· grundlegende Kenntnisse über Forschungsmethoden, Forschungsergebnisse und Systematik der Disziplinen;
· die Fähigkeit zur selbstständigen wissenschaftlichen Behandlung von einschlägigen Problemen und
Themen;
· vertieftes Wissen und Verständnis in den lehrplanrelevanten Bereichen der wissenschaftlichen Disziplinen;
· Verständnis für die historische Entwicklung der wissenschaftlichen Disziplinen und ihrer Forschungsprobleme
und Forschungsergebnisse;
· die Bereitschaft und Fähigkeit, die kontinuierlichen Veränderungen im Fortschritt der Wissenschaften
mit- bzw. nachzuvollziehen.
Im Hinblick auf die einzelnen Unterrichtsfächer bedeutet dies Basis-, grundlegende und detaillierte
Kenntnisse sowie Verständnis und Befähigung zur Durchführung fachspezifischer Aufgaben.
Die fachwissenschaftliche Dimension des Qualifikationsprofils der Unterrichtsfächer ist im V. Abschnitt
dieses Studienplans jeweils unter § 1 näher ausgeführt.
b) Fachdidaktische Dimension
Für die Berufsvorbildung zur Lehrerin/zum Lehrer an einer höheren oder mittleren Schule ist die Fachdidaktik
eine wissenschaftliche Schlüsseldisziplin.
Die fachdidaktische Dimension umfasst die Fähigkeiten
· zur Begründung des Unterrichtsfaches als Lehr-/Lern-Bereich der Schule;
· zum Verständnis der Stellung des Unterrichtsfaches im Fächerkanon der Schule;
· zum Erkennen der multidisziplinären wissenschaftlichen Grundlagen des Unterrichtsfaches;
· zur Interpretation des Lehrplans unter den Aspekten der Auswahl und Gewichtung der Lehrinhalte
und der Bestimmung der Lehr-/Lern-Ziele;
· zur Erarbeitung einer langfristigen Unterrichtsplanung im jeweiligen Unterrichtsfach bis zur Reifeprüfung,
unter Berücksichtigung fächerverbindender wie auch fächerübergreifender Zusammenhänge;
· zur Planung und Gestaltung der fachunterrichtlichen Lehr-/Lern-Prozesse unter Beachtung der strukturellen,
thematischen und praktischen Besonderheiten des Unterrichtsfaches;
· zur Planung und Durchführung der dem Unterrichtsfach entsprechenden Formen der Leistungsbeurteilung;
· zur Bereitschaft zur fächerübergreifenden Kooperation im Rahmen von Unterrichtsprojekten, insbesondere
im Hinblick auf die Unterrichtsprinzipien;
· zur Unterstützung der fächererweiternden und fächerüberschreitenden Aktivitäten der Schülerinnen
und Schüler im Rahmen vertiefender Wahlpflichtfächer und Fachbereichsarbeiten.
Die fachdidaktische Dimension des Qualifikationsprofils der Unterrichtsfächer ist im V. Abschnitt dieses
Studienplans jeweils unter § 1 näher ausgeführt.
c) Personale und kommunikative Dimension
Das pädagogische und didaktische Wirken der Lehrerin/des Lehrers hängt wesentlich von ihrer/seiner
Persönlichkeit ab. Bedeutsam sind daher ihre/seine Fähigkeiten
· zu einem vom Berufsethos getragenen Urteilen, Entscheiden und Handeln;
· zur realistischen Einschätzung der eigenen besonderen Fähigkeiten und Schwächen;
· zur sachlichen und kritischen Beurteilung von Informationen, Situationen und Konzepten;
· zur Erfassung der wesentlichen Informationen, zu ihrer Verknüpfung mit Kenntnissen aus verschie -
denen Gebieten und zur kreativen Anwendung in Problemlösungen;
· zur verständlichen und überzeugenden Darstellung ihrer/seiner Gedanken und Anliegen;
· zur Kooperation und Teamarbeit mit Vorgesetzten und Kolleginnen/Kollegen;
· zu einem von wechselseitiger Wertschätzung und gegenseitigem Verständnis getragenen Umgang mit
Eltern und Schülerinnen/Schülern im Rahmen der Schulpartnerschaft;
· zur Bearbeitung und Lösung von Konflikten;
· zur Nutzung persönlichkeitsstabilisierender Verfahren (Entlastungstechniken, Supervision);
· zur ständigen Erweiterung ihrer/seiner Kompetenzen durch selbstgesteuertes berufsbegleitendes Lernen.
d) Erziehungswissenschaftliche Dimension
Im Bereich der erziehungswissenschaftlichen Qualifikationen sind die Grundlagen für das pädagogischprofessionelle
Urteilen, Entscheiden und Handeln zu vermitteln. Der Verbindung von Theorie und Praxis
ist daher besondere Beachtung zu schenken. Der erziehungswissenschaftliche Kompetenzbereich umfasst
folgende Aspekte:
1. Pädagogische Aspekte
Die Schule hat an der Entwicklung der Weltanschauung und Wertordnung der Schülerinnen/Schüler mitzuwirken,
wobei das primäre Erziehungsrecht der Eltern zu achten ist. Die Schule hat weiters die Schüle -
rinnen/Schüler zu Bürgerinnen und Bürgern einer demokratisch verfassten Gesellschaft zu erziehen.
Die von den Lehrerinnen und Lehrern geforderte pädagogische Kompetenz umfasst die Fähigke iten
· zur Gestaltung einer wirksamen erzieherischen Interaktion im Sinne eines demokratischen Führungsstils;
· zur Förderung positiver sozialer Beziehungen;
· zur Förderung ethischen Bewusstseins und ethischen Handelns;
· zur Überzeugung der Schülerinnen und Schüler hinsichtlich ihrer Rechte und Pflichten in der Schule;
· zur Herstellu ng und Sicherung eines Ordnungsrahmens für die Durchführung des Unterrichts;
· zum wirkungsvollen Einsatz der gesetzlich verfügbaren Erziehungsmittel;
· zur Wahrnehmung und Abwendung von Gefährdungen der Schülerinnen und Schüler.
2. Didaktische Aspekte
Die Schule als spezifische Lernformation stellt eine entscheidende institutionelle Rahmenbedingung für
das Unterrichten als Anregung, Unterstützung und Sicherung der Lernprozesse der Schülerinnen und
Schüler dar.
Von der Lehrerin/vom Lehrer fordert dies die Fähigkeit
· zur Herstellung eines positiven Lernklimas;
· zur Motivation der Schülerinnen und Schüler;
· zur Strukturierung des Lehr-/Lern-Prozesses nach lern- und motivationstheoretischen Grundsätzen
(Gliederung der Unterrichtseinheiten);
· zur Organisation des Lernens der einzelnen Schülerin/des einzelnen Schülers im Rahmen des Lernkollektivs
der Schulklasse (Sozial- und Aktionsformen des Unterrichts);
· zur Beachtung der individuellen Lernvoraussetzungen und Lernbefähigungen durch Differenzierung
und Individualisierung des Lehrens;
· zur klaren Darstellung der Lehrinhalte in mündlicher und schriftlicher Form;
· zur Bewertung und zum Einsatz von medialen Lehr- und Lernhilfen;
· zur Gestaltung von notwendigen Rückmeldungen über das Erreichen oder Nichterreichen von Lernzielen;
· zur Planung und Durchführung der Leistungsmessung und Leistungsbeurteilung unter Beachtung der
Kriterien der Objektivität, Reliabilität und Validität.
3. Erziehungspsychologische Aspekte
Die Kenntnis der Gesetzmäßigkeiten der menschlichen Entwicklung und des Sozialverhaltens stellt eine
wesentliche Grundlage für die Planung und Durchführung wirksamen schulpädagogischen Handelns dar.
Erforderlich für den Lehrberuf sind daher die Fähigkeiten
· zur Untersuchung und Erklärung pädagogischer Phänomene und Proble me unter Anwendung entwicklungs-,
sozial- und lernpsychologischer Theorien;
· zur Berücksichtigung der phasenspezifischen Erscheinungsform und Entwicklungsaufgaben der späten
Kindheit, des Jugendalters und der Adoleszenz bei der Planung von Erziehung und Unterricht;
· zur richtigen Einschätzung der Leistungsfähigkeit der Schülerinnen und Schüler und zur Vermeidung
von Über- und Unterforderung;
· zur Anwendung angemessener Interaktionsformen in sozialen Konfliktfeldern;
· zur Vermeidung repressiver, Angst erzeugender Interaktionsformen;
· zur Beratung von Schülerinnen/Schülern und Eltern über notwendige psycho- und sozialtherapeutische
Maßnahmen.
4. Schulorganisatorische Aspekte
Die Schule als gesellschaftliche Dienstleistungsinstitution ändert sich mit gesellschaftlichen Erwartungen
und wissenschaftlichen Erkenntnissen. Lehrerinnen und Lehrer haben daher die Aufgabe, an der Weiterentwicklung
der Schule mitzuwirken. Besondere Anforderungen entstehen aus der den Schulen heute
gewährten größeren Eigenständigkeit (Autonomie). Für Lehrerinnen/Lehrer ergibt sich daraus die Notwendigkeit
der Fähigkeiten
· zur Beurteilung der Stellung der Schule im demokratischen Rechtsstaat;
· zur Gestaltung der pädagogischen Arbeit im Spannungsfeld zwischen pädagogischer Freiheit und
Weisungsgebundenheit;
· zur Mitarbeit in den Gremien der Schulpartnerschaft;
· zur Mitgestaltung der Lehrpläne auf Schulebene;
· zur produktiven Kommunikation mit vorgesetzten Entscheidungsträgerinnen/Entscheidungsträgern
und außerschulischen Intressensvertreterinnen/Interessensvertretern;
· zur Durchführung qualitätsfördernder Innovationen und deren Evaluation;
· zur Mitwirkung an der Organisationsentwicklung der Schule im Hinblick auf Schulprogramme und
Schulprofile.
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